Archiv für den Monat Mai 2020

Corona in Sachsen – ein Konzept das überzeugt

09.05.2020

Unsere Unzufriedenheit über die mangelnde Substanz des Konzepts zur Öffnung von Kitas und Schulen in Baden-Württemberg haben wir im letzten Blogbeitrag geäußert. Staunend und etwas neidisch blicken wir nun nach Sachsen, wo sich offenbar das dortige Kultusministerium fundierte Gedanken über ein alternatives, tragfähiges Konzept gemacht hat. Man muss ja schon sagen, die Sachsen standen wegen alternativem „Gedankengut“ oft in der Kritik, aber dass Corona nun dazu führt, dass wir aus Baden-Württemberg bewundernd nach Sachsen blicken, hätte vorher auch niemand vorhergesagt.

Sachsen öffnet ab dem 18. Mai komplett die Kitas sowie die Grundschulen von Klasse 1-4 (unter bestimmten Auflagen). Bei den weiterführenden Schulen wird ein rollierendes System eingeführt. Kurz zusammengefasst setzt das sächsische Model auf eine strikte Gruppentrennung mit festen Lehrkräften/Bezugspersonen gepaart mit strengen Hygienevorschriften. Auf die Abstandsregeln wird bewusst verzichtet, um normale Gruppengrößen und somit den Regelbetrieb gewährleisten zu können. Falls euch die Details interessieren, lest bitte folgende Zusammenfassung des MDR (https://www.mdr.de/sachsen/corona-regeln-schulen-kitas-ab-achtzehnter-mai-100.html). Außerdem haben wir eine Informationsseite auf sachsen.de gefunden, die beindruckend ist und viele weiterführende Links beinhaltet, u.a. das Konzeptpapier als PDF.

Dass hier also nicht einfach mal aufs Blaue etwas ausprobiert wird, belegen die vielen detaillierten Dokumente. Außerdem ist für uns diese Vorgehensweise auch einfach nachvollziehbar und stimmig und entlastet die Eltern enorm.

Das ernüchternde am Bundes- bzw. am Baden-Württembergischen Weg ist die Perspektivlosigkeit, die man uns Eltern gibt: „Ziel ist, dass in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen bis zu den Sommerferien jede Schülerin und jeder Schüler einmal die Schule besuchen kann“ bzw. „dabei wird sichergestellt, dass bis zu den Sommerferien auch jedes Vorschulkind noch einmal die Kita besuchen kann.“

Wow. Ganz toll. Wahnsinnig ambitioniert. Liest sich irgendwie wie der Wunsch von Tante Hildegard, dass doch jeder bis Allerheiligen noch einmal in die Kirche gehen könnte, um dem Onkel Pfarrer mal wieder Hallo zu sagen und zu erzählen, wie es denn zu Hause so läuft und dann, am Heilig Abend, treffen wir uns hoffentlich alle wieder gemeinsam auf der Kirchenbank.

Glaubt ihr unter diesen Umständen wirklich noch daran, dass wir nach den Sommerferien plötzlich dann zum Normalbetrieb übergehen werden?

In einem der nächsten Beiträge, werden wir mal versuchen, der Frage auf den Grund zu gehen, ob der BaWü-Weg wenigstens der risikolosere ist und ob die Sachsen vielleicht schlichtweg zuviel wagen.

Als Familie in der Coronazeit – der Unmut wächst

(04.05.2020) Wisst ihr, was momentan unsere größte Befürchtung ist? Dass die Politik gerade mit ihrem Mischmasch aus Lockerungen und Beschränkungen eine Situation heraufbeschwört, die in erster Linie wir Eltern in den kommenden Monaten ausbaden dürfen. Und diese diffuse Befürchtung schlägt in Wut um, wenn man bedenkt, wie groß die Belastungen für die Eltern in den letzten zwei Monaten bereits waren und wie wenig konkrete Hilfen und Erleichterungen für die Familien bisher auf den Weg gebracht wurden. Stattdessen wird weiter das Allheilkonzept „Home-Office“ propagiert, weil im Homeoffice lassen sich ja wunderbar Kinderbetreuung, Kontaktbeschränkung, Arbeitsdienst und Familiendienst vereinen. Wie ging nochmal das berühmte Lied? Das bisschen Haushalt macht sich doch im Homeoffice. Das bisschen Kinderbetreuung kann so schlimm nicht sein. Wie eine Familie sich überhaupt beklagen kann …

Vielleicht haben wir Familien uns tatsächlich bisher zu wenig beklagt? Oder gibt es etwa gar keinen Grund zur Klage? Laut einer aktuellen bayrischen Studie gaben 45% der befragten Familien an, dass die Corona-Zeit sich positiv oder sehr positiv auf den Familienzusammenhalt auswirkt. Das möchten wir gar nicht in Frage stellen, auch wir bemerken viele positive Aspekte, die das entschleunigte neue Zusammenleben mit sich bringt. Allerdings gibt es da auch noch die anderen 55% …

Dass es in vielen Familien brodelt, erleben wir nicht nur in Gesprächen mit Freunden. In manchen Medien ist bereits vom Aufstand der Familien zu lesen und erste Bundesländer kündigen Alleingänge bei der Öffnung der Kitas an. Aber sind wir wirklich schon auf dem Weg in die richtige Richtung? Werden die Belange der Familien (vielleicht schon ab diesem Mittwoch) prominent mit einem tragfähigen Konzept unterstützt?
Wir sehen da leider noch kein Licht am Ende des Tunnels und eher folgendes Szenario auf uns zukommen:

Die aktuell eingeläuteten Lockerungen werden dazu führen, dass die Fallzahlen wieder steigen. Dazu muss man kein Virologe oder sonstiger Wissenschaftler sein, um diese Vermutung anzustellen. Verstärkt wird das in unseren Augen u.a. durch die unkonkreten Vorgaben auf Bundes- und Landesebene in Bezug auf die Wiedereröffnung von Schulen und Kitas, wodurch dann die Verantwortung für die Umsetzung letztlich bei der Leitung der einzelnen Einrichtung liegt. Gibt es wirklich überall in den Schulen und Kindergärten ein Konzept, das die Bezeichnung „Konzept“ verdient hat? Da werden Notbetreuungsgruppen zusammengestellt, die eine Durchmischung von Erziehern/Lehrern und Kindern bewirken, anstatt dass man sich innovative Konzepte mit festen Gruppen, klaren räumlichen Aufteilungen und festen Betreuenden überlegt. Aber das würde ja bedeuten, dass wir unser starres, über Jahrzehnte entwickeltes Schul- und Kindergartensystem neu denken müssten!

Aber nein, man probiert lieber die Salami-Taktik. Bleiben wir in unserem Szenario. Die Fallzahlen steigen. Das führt wiederum dazu, dass man die bestehenden Kontaktbeschränkungen beibehalten oder wieder verschärfen wird. Aber gerade die formalen Kontaktbeschränkungen empfinden wir als Familie mehr und mehr als unhaltbar. Warum dürfen sich kinderlose Paare, Senioren, junge Menschen hier und da im privaten Raum zu viert bzw. fünft treffen (zumindest gilt das in Baden-Württemberg) und wir Familien begehen eine Ordnungswidrigkeit, wenn wir uns mit einer anderen Familie treffen und damit die magische Zahl 5 übersteigen? Warum muss in einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft überhaupt eine Maximalzahl für private Zusammenkünfte definiert werden? Sinnvoller wäre doch, dass wir als Familie in Summe unsere Kontakte beschränken. Hält uns die Politik für so verantwortungslos, dass wir dazu nicht in der Lage wären? Ganz ehrlich, wir haben weitaus mehr Bekannte (Familien), die ihre Kontakte komplett auf Null heruntergefahren haben als solche, die das Ganze als vollkommen übertrieben und lächerlich abstempeln. Es wird also gar nicht so einfach werden, Freiwillige zu finden, die sich mit uns treffen wollen.

Wir haben uns nach Ausbruch von Covid-19 streng an alle Vorgaben und Empfehlungen gehalten. Keine Treffen mehr mit den Großeltern und Freunden, Einkaufen nur 1x pro Woche ohne Kinder sowie bereits vor der Maskenpflicht mit Mundschutz. Keine Ausflüge auf Spielplätze oder vielbesuchte Wanderwege im Schwarzwald. Aber jedes Mal, wenn man sich dann mal wieder gezwungenermaßen zum Einkaufen in die Stadt wagte, hatte man das ungute Gefühl, da draußen geht das Leben mehr oder weniger normal weiter. Warum sind denn da so viele alte Menschen in den Einkaufsläden unterwegs? Ich hatte gedacht, wir bleiben gerade alle daheim, um diese Risikogruppe zu schützen? Ach, und die Kirchen dürfen nun auch wieder aufmachen. Wie viele Personen, die der Hochrisikogruppe angehören, kommen da noch mal in etwa bei einem Gottesdienst zusammen? Ach, mehr als fünf, soso… Ja, stimmt, sie halten dort 1,50m Abstand. Können wir zu Hause übrigens auch sicherstellen.

Um nochmal zurück zum Szenario zu kommen. Die ganzen Versuche Schulen und Kitas mittels Salamitaktik scheibchenweise zu öffnen sind extrem belastend für die Eltern, weil keinerlei Planungssicherheit besteht und bei mehreren Kindern auch noch mehrere in unterschiedlicher Salamitaktik agierende Erziehungsanstalten von den Eltern koordiniert werden müssen. Weiterhin sollen wir uns aber mit niemandem treffen und für unsere Arbeitgeber voll zur Verfügung stehen, denn die Wirtschaft möchte ja wieder volle Fahrt aufnehmen. Wie soll das funktionieren? Wie lange können Eltern und Kinder das aushalten? Und wie lange will und kann ein Arbeitgeber auf Familien mit Kindern Rücksicht nehmen?

Wir haben die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen und können auch nicht sagen, wie wir aus dieser vertrackten Corona-Situation wieder herauskommen, aber wir finden es befremdend bis unerträglich, dass schweigend hingenommen wird, dass „Familien in diesem Land nun mal keine Lobby haben“ und man sich nun eben um die Kinder kümmern soll, die man doch selbst haben wollte. Wir denken, Familien schultern gerade verdammt viel und wenn wir aufhören würden, dies zu tun, hat unser Land und unsere Politik neben dem Corona-Virus noch ein weiteres großes Problem.

Fazit: Trotz der aktuellen Lockerungen der Corona-Verordnung und der Erweiterung der Betreuung bleibt für uns alles beim alten, das Kinderbetreuungsproblem bleibt für uns wie auch für viele andere Familien unverändert bestehen und die Kinder bleiben weitestgehend isoliert – dennoch sollen wir unserer Arbeit weiterhin nachgehen (jetzt nach den Lockerungen wieder umso mehr) und die Kinder sollen weiterhin per Fernunterricht beschult werden – vielleicht gelegentlich auch für ein paar Stunden in der Schule. Ein tragfähiges Konzept, wie wir das als Familie in den nächsten Monaten durchhalten können, wäre uns lieber als ein Erlass der KiTa-Gebühren.

Update 07.05.2020

Der gestrige Tag stand zwar unter dem Motto „weitreichende Lockerungen“, allerdings ändert sich wie befürchtet für die Familien auf absehbare Zeit nur wenig, die Mehrfachbelastung bleibt. Und umfassende Konzepte für Schulen und Kitas wurden keine geliefert. Bleibt alleine die Hoffnung, dass Politikerinnen wie Saskia Esken und Katja Dörner am „Ball“ bleiben, und wir meinen hier nicht den Bundesliga-Fußball (https://www.tagesschau.de/inland/corona-lockerungen-kita-kritik-101.html).
Ein paar Stichworte aus dem Artikel herausgegriffen:

  • Rechtsanspruch auf Arbeitszeitreduzierung
  • Corona-Elterngeld
  • Kinderbetreuung im sehr kleinen Rahmen mit festen Personen ermöglichen

Es gab gestern tatsächlich auch eine positive Entscheidung: Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nun auch mit den Personen eines weiteren Hausstandes gestattet, sprich wir dürfen nun offiziell als ganze Familie auf der Straße beim Plausch mit unseren Nachbarn stehen bleiben und verweilen. Wir müssen nur aufpassen, dass sich nicht auch noch die anderen Nachbarn dazugesellen. Außerdem brauchen wir auch keine Bußgelder mehr befürchten, falls unsere Kinder, die eigentlich im Hof mit dem Nachbarn spielen (nicht-öffentlicher Bereich, bisher 5 Personen erlaubt), sich spontan entscheiden, auf dem Rebweg oder der Wiese weiterzuspielen (öffentlicher Raum, bisher nur 2 Personen erlaubt).

Ich bin auf jeden Fall gespannt auf die angepasste, „neuartige“ Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg. Wahrscheinlich wird man im nicht-öffentlichen Raum weiterhin keine Familien-Treff-Orgien erlauben wollen.

Update 09.05.2020

Wie viele Personen dürfen im privaten Raum zusammenkommen?

„Es gibt hier keine Beschränkung nach Personenzahl, sondern es kommt darauf an, in welchem Verhältnis die Personen stehen.  Es dürfen zusätzlich zu den Angehörigen des eigenen Haushalts zusammenkommen:

  • Die erweiterte Familie (Großeltern, Eltern, Kinder, Enkel mit Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern, Geschwister mit Nachkommen und Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern).
  • Angehörige eines weiteren Haushalts.
  • Zusätzlich vier Personen.“

Quelle: Aktuelle Corona Veordnung BaWü, gültig ab 11. Mai

Das ist nun wirklich mehr als wir zu hoffen gewagt haben. Offenbar wurde die Kritik der letzten Wochen erhört.

Wenn Baden-Württemberg nun auch noch bei der Schul- und Kitaöffnung einen Strategiewechsel vollziehen würde oder ein schlüssigeres Gesamtkonzept präsentieren würde, würden wir vollends aufatmen. Dazu in einem separaten Blogeintrag mehr.

Update 11.05.2020

Da hatte sich jemand in der letzten Corona-Verordnung verschrieben, daher wurde das mit den zusätzlichen vier Personen (klammheimlich) wieder gestrichen. Zufällig hatte ich das im Radio gehört, sonst hätten wir weiter im Glauben gelebt, dass nun größere Treffen erlaubt seien …